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Te Araroa – Das Ende einer langen Reise

Te Araroa – Das Ende einer langen Reise

Die letzten paar Tage auf dem Trail standen schließlich vor mir. Immernoch etwas enttäuscht von den vielen vorübergehend geschlossen Trail-Abschnitten auf der Nordinsel (und den damit verbundenen Umwegen auf asphaltierten Wegen) und in Erinnerung schwelgend an die wunderschöne Natur der Südinsel, sah ich dem Ende der Wanderung an diesem Punkt mit Freude entgegen. Es war ein großartiges Abenteuer, aber der Umstand, dass etwa 70% meiner Reise auf der Nordinsel eine Straßenwanderung ausartete, war ein wenig enttäuschend.

Doch der letzte Tag meiner Wanderung auf dem Te Araroa sollte all das wettmachen und mich absolut sprachlos vom Trail verabschieden.

Nachdem ich mich am Morgen nach meiner ersten Übernachtung am Ninety-Mile-Beach am Hukatere Lodge Camping Ground wieder auf den Weg gemacht hatte, entschloss ich mich fest dazu, die restlichen 70 Kilometer in zwei Tagen zu absolvieren. 

Die vorletzte Tagesetappe brachte mich  zum Maunganui Bluff Reserve Campground, den ich bereits vom späten Vormittag an in der Ferne ausmachen konnte. Es ist verrückt, wie schwierig sich Entfernungen am Strand einschätzen lassen. Eine Landmarke, die am Horizont auftaucht, kann einem das Gefühl geben, man könne das Ziel in ein oder zwei Stunden erreichen. Fünfeinhalb Stunden später ist man dann schlauer.

Die letzte Nacht auf dem Trail

Der Campingplatz am Maunganui Bluff Reserve liegt an einer kleinen Landspitze, welche die einzige Unregelmäßigkeit am gesamten, langgezogenen Strand bildet. Vor dieser Landspitze liegt Te Wakatehaua Island

Am Campingplatz angekommen, traf ich eine ganze Bande anderer Wanderer, die ihre Reise gerade erst begonnen hatten. Auf den Gesichtern dieser Southbound Hiker las ich eine Mischung aus Erschöpfung und Vorfreude. Und ich fühlte mich ähnlich. Wir schlugen unsere Zelte auf und ich bereitete mein letztes Abendessen auf dem Trail zu. 

Das machte mich tatsächlich etwas traurig. Nach einem langen und anstrengenden Tag das Abendessen über dem Gaskocher zuzubereiten, war eines meiner liebsten Rituale. Nach einer langen Tour schmeckt selbst Reis, Thunfisch und Tabasco Sauce einfach köstlich. Es ist die Belohnung, auf die man sich jeden Tag freut und der Umstand, dass eigentlich ununterbrochen der Magen knurrt, welche das Essen jedes Mal zu einem Highlight machten. 

Und egal wie groß die Portion: Es war nie genug, weshalb ich mir Zeit ließ und versuchte, jeden Löffel besonders zu genießen.

In der folgenden Nacht regnete es nicht wenig und ein starker Wind zog auf. Ich war froh, dass ich die Heringe meines Zeltes stabil im Untergrund befestigte. Eine erholsame Nacht war entscheidend, denn am nächsten Tag lag noch ein gutes Stück der Strecke vor mir.

Mein letzter Tag am Strand

Der 90 Mile Beach allein war ein einzigartiges Erlebnis: Die Brandung stundenlang zu meiner Linken und die riesigen, oft endlos erscheinenden Sanddünen zu meiner Rechten hatten nach vielen Stunden eine interessante, fast bewusstseinsverändernde, aber sehr beruhigende Wirkung.

Ich fühlte mich beinahe wie auf einem anderen Planeten, auf dem der einzige Anschein von Leben die Seevögel waren, die vor der Küste über dem tiefblauen Wasser kreisten. Wenn der Wind wehte und der Sand zu kleinen Tornados aufgewirbelte, kam ich mir vor wie ein Reisender in einer postapokalyptischen Wüstenwelt a la “Mad Max”.

In Gedanken an den dystopischen Actionfilm und gerade, als mein Magen mich daran erinnerte, dass mein Frühstück nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein war, sah ich in der ferne Sandwolke aufwirbeln. Ein Strandbuggy raste direkt auf mich zu. Etwa einhundert Meter vor mir hielt er an und aus dem Buggy stiegen ein großer, bärtiger Mann und eine zierliche Frau. Beide trugen einen Eimer mit sich. Ich hatte eine Ahnung, was die beiden hier vorhatten.

Wer sich in Neuseeland eine frische Mahlzeit aus dem Meer beschaffen möchte, braucht dafür lange keine Angelrute. Unterschiedliche Arten von Schalentieren findet man an jedem Strand. Auf meiner Reise kam ich so des Öfteren in den Genuss frischer Austern oder einiger der berühmten neuseeländischen Greenlip-Muschel

Doch die beiden Einheimischen, die ich hier am 90-Mile-Beach traf, waren auf etwas anderes hinaus. 

Als ich die beiden erreichte, begrüßten sie mich direkt und ich fragte sie, was sie denn mit den Eimern vorhatten. Der Mann winkte mich näher heran. Ich folgte ihm in die Brandung. “Wir sammeln Tuatua”. erklärte er. Er drehte seinen Fuß im weichen Sand, bückte sich und zog eine Muschel mit weißer Schale aus dem Wasser. Ich hatte einmal einen ganzen Nachmittag damit zugebracht, um zu versuchen, was dieser Kerl mir hier in Sekundenschnelle und ohne Probleme vorführte.

Er knackte die Muschel mit einem Messer auf und reichte sie mir zu probieren. Im Ernst: Obwohl dieser schleimige kleine Happen komplett ungekocht und kalt war, hat es absolut köstlich geschmeckt. Ich weiß, ob das daran lag, dass ich tagelang nicht frisches mehr gegessen habe oder am allgemeinen Kaloriendefizit, aber Meeresfrüchte gehen bei mir allgemein immer sehr gut!

Zum Mittag gab es frische Muscheln

Ich bedankte mich herzlich bei den beiden und ließ sie in Ruhe Muscheln sammeln. Auf meinem Weg in Richtung Norden hielt ich aber immer wieder Ausschau auf den Sand direkt bei der Brandung. Der Wasserstand näherte sich seinem niedrigsten Punkt an der Ebbe. Der nette Einheimische von zuvor verriet mir, dass die Muscheln, die normalerweise einige Zentimeter tief im Sand verborgen liegen, von den Wellen frei gespült und damit sichtbar werden. 

Als das Ende des Strandes schließlich in Sicht war, und ich die ersten 20 Kilometer meiner letzten Tagesetappe gegen Mittag hinter mich gebracht hatte, knurrte mir wieder ordentlich der Magen.

Die Sonne schien und der Wind hielt sich in Grenzen. Ich entschied mich also kurzfristig für ein Picknick am Strand! Warum den letzten Tag auf dem Trail nicht genießen?

Ich setzte meinen Rucksack ab und breitete meinen Regenponcho als Decke aus. Danach bereitete ich den Gaskocher vor und begab mich mit dem kleinen Kochtopf bewaffnet, barfuß in die Brandung. Es brauchte einige Versuche, doch dann stießen meine Zehen im weichen Sand auf Widerstand: Jackpot. Die erste Muschel war im Topf! Und die nächsten ließen nicht lange auf sich warten! Nach etwa fünf Minuten war der Topf fast voll! Ich kochte sie über meinem Campingkocher im Meerwasser und war mit dem Ergebnis mehr als nur zufrieden.  

Zufrieden und mit ungewohnt vollem Magen machte ich mich wieder auf den Weg.

Nichts macht mir beim Wandern mehr Spaß, als unterwegs in der Natur etwas zu Essen zu sammeln und es direkt auf dem Trail zuzubereiten! Egal ob beim Angeln, Pilze sammeln oder eben Muscheln am Strand: In der Natur gekocht schmeckt immer am besten!

Kurz vor Ende des Strandes bot sich mir noch dieser Anblick:

Tuatua Muscheln am Strand

Was von weitem aussah wie Steine oder grober Sand, sind tatsächlich viele kleine Muscheln, die von der Brandung frei gespült wurden!

Aufstieg über “Heavens Staircase”

Der Strand lag, nach einem letzten Stück, das sich wie eine Ewigkeit anfühlte, endlich hinter mir. Ich kam an einer großen Felsenklippe an. Zu meiner Rechten, in einiger Entfernung lagen die “Giant Sand Dunes”- also riesige Sanddünen. Wie ich später erfuhr, hat Harriet hier den Nachmittag verbracht:

Für mich ging es weiter die Felsen hinauf. Eine Treppe, auch “Heavens Staircase” genannt, führte mich Schritt für Schritt immer höher, bis sich von ganz oben ein unglaublicher Ausblick auf den Strand hinter mir bot:

90 Mile Beach

Die Mittagssonne brannte zu diesem Zeitpunkt heiß und der Aufstieg brachte mich gut ins Schwitzen. Ich war recht müde, aber der Gedanke, dass das Ziel jetzt praktisch zum Greifen nahe war, trieb mich weiter an. 

Kurze Zeit später, nachdem ich auch den Twilight Beach samt Campground hinter mir gelassen hatte, sah ich zum ersten Mal in der Ferne den Leuchtturm am Cape Reinga. Seitdem ich im Februar 2020 meine Reise ursprünglich in Bluff begonnen hatte, war dieser berüchtigte Leuchtturm mein Ziel. Und unzählige Male habe ich mir vor dem Einschlafen in meinem Zelt vorgestellt, wie es sein wird, endlich hier anzukommen.

Was ich zu dieser Zeit nicht wusste, war, wie wunderschön die Landschaft am Cape Reinga im hohen Norden Neuseelands ist. 

An dieser wilden Küstenlandschaft wechseln sich traumhafte Strände mir außerirdisch erscheinenden, tiefroten Felsformationen ab. Besonders die Aussicht auf das Cape Maria Van Diemen im Osten blieb mir in Erinnerung:

Die Ankunft

Im Nachhinein war mein letzter Tag auf dem Trail einer der schönsten überhaupt. Kurz bevor ich den Leuchtturm am Cape Reinga erreichte, kam Harriet mir entgegen und begleitete mich auf den letzten Metern. Das Gefühl, als ich den Leuchtturm direkt vor mir sah und schließlich dieses unglaubliche Abenteuer beendete, ist nur schwer in Worte zu fassen. Deshalb hier einfach ein paar Bilder:

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Timo
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